Rezension zu den „Physikern”

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Gefärbt oder gepudert?

Das war nur eine der Fra­gen, die die jüngst im Carous­sel-Thea­ter zur Pre­mie­re gebrach­te Insze­nie­rung von Dür­ren­matts ”Phy­si­kern“ auf­warf. So zeig­te sich unser päd­ago­gi­scher Koor­di­na­tor Herr Dr. Busch als Ein­stein stil­echt ergraut und der Zuschau­er muss­te sich zwang­läu­fig fra­gen, ob die Mas­ke sein Haar gefärbt oder gepu­dert hat­te, oder ob dies ein­fach das natür­li­che Aus­se­hen von Herrn Buschs Haar­pracht ist.

Eben­so muss­te man sich die Fra­ge stel­len, wel­chen Second­hand-Shop die Requi­si­te über­fal­len hat­te, um Herrn Bün­ger, der den New­ton gab, in die­se exqui­si­te Rüschen­blu­se zu ste­cken. So aus­ge­stat­tet gaben die bei­den den Phy­si­kern einen ganz eige­nen Cha­rak­ter. Herr Busch bril­lier­te dabei mit unge­wohn­ter Ver­schla­gen­heit, wohin­ge­gen Herr Bün­ger trotz Wuschel­fri­sur dem 200 Jah­re alten New­ton mit sei­nem Spiel die sprich­wört­li­che Jugend aufs Gesicht zau­ber­te. Das Pis­to­len­du­ell der bei­den gegen Ende des Stü­ckes wird zwei­fels­oh­ne in die Anna­len der Schu­le ein­ge­hen, wuss­ten doch bei­de sehr gut mit dem Schieß­ei­sen umzu­ge­hen. Lernt man so was im Pädagogikstudium?

Möbi­us, den drit­ten im Bun­de der sich in der Psych­ia­trie befind­li­chen Genies, spiel­te Herr Uhle­mann. Die­ser, noch vor der Pre­mie­re durch ver­ges­se­nen Text am Boden zer­stört, ließ in der Vor­stel­lung kei­nen Zwei­fel dar­an, dass die Schau­spie­le­rei sei­ne wah­re Beru­fung ist. Mit sol­cher Inbrunst hat es wohl noch nie­mand geschafft, den Phy­si­ker Möbi­us zu ver­kör­pern. Des­we­gen muss­te sich das geneig­te Publi­kum auch gut an den Sit­zen fest­hal­ten, um nicht im nächs­ten Moment von einem (gespiel­ten) Gefühls­aus­bruch des Phy­si­kers von sel­bi­gen gefegt zu werden.

Genau­so begeis­tern konn­ten die weib­li­chen Dar­stel­ler aus dem Leh­rer­kol­le­gi­um. So ver­kör­per­te Frau Duwe – unge­wohnt streng – die Ober­schwes­ter der Heil­an­stalt. Frau Danyel dage­gen über­rasch­te als frei­zü­gi­ge und las­zi­ve, schwer in Möbi­us ver­schos­se­ne Kran­ken­schwes­ter Moni­ka Stett­ler. Gekonnt öff­ne­te sie ihren Kit­tel, um sich sogleich dem geschock­ten Möbi­us an den Hals zu wer­fen, der den ihren nach vor­he­ri­gem Betas­ten min­des­tens genau­so film­reif mit einem Sei­den­schal zudrück­te. Amü­san­ter ist noch kein Mord insze­niert wor­den. Dabei stand Frau Danyels Per­for­mance der Lei­che der der leben­den Kran­ken­schwes­ter in nichts nach.

Den eigent­li­chen Höhe­punkt des Stü­ckes aber hat­te Frau Andert zu ver­ant­wor­ten. Wäh­rend eines fünf­mi­nü­ti­gen Mono­lo­ges ver­lieh sie durch groß­ar­ti­gen Ein­satz ihrer Stim­me und gefähr­lich psy­cho­ti­sche Yoga­ver­ren­kun­gen dem Fräu­lein Dok­tor Mat­hil­de von Zahnd (der Betrei­be­rin der Irren­an­stalt) eine Form von Grö­ßen­wahn, der jeden Geg­ner James Bonds bei wei­tem über­trifft. Der Zuschau­er muss­te die drei tap­fe­ren Phy­si­ker ein­fach dafür bedau­ern, auf ewig der Dok­to­rin aus­ge­lie­fert zu sein.

Ähn­lich sorg­sam wie die Haupt­rol­len wur­den die Neben­rol­len besetzt. So fehl­te Herrn Sei­del in der Rol­le des Kom­mis­sars zum per­fek­ten Colum­bo-Ver­schnitt nur noch der ver­beul­te Peu­geot. Herr Krei­ßig über­zeug­te in einer Dop­pel­rol­le glei­cher­ma­ßen als Poli­zist Blo­cher und als Mis­sio­nar Oskar Rose, der Möbi­us’ Ex-Frau Lina (Frau Kru­se) geehe­licht hat­te. Mit tosen­dem Jubel wur­den auch die Her­ren Nicol, Emm­rich und Rich­ter bedacht, wel­che als Pfle­ger­trio Sievers/Murillo/McArthur wie die drei dem Fit­ness­stu­dio ent­sprun­ge­nen Mus­ke­tie­re anmuteten.

Für die Beset­zung, die Insze­nie­rung und ihr Enga­ge­ment muss man die Regie in Form von Maria Leh­mann und Judith Bran­den­stein (12. Jg.) ein­fach loben. Gleich­falls muss allen Betei­lig­ten – Schü­lern als auch Leh­rern – dafür gedankt wer­den, dass sie soviel Zeit geop­fert haben, um uns zu unter­hal­ten. Es bleibt nur zu hof­fen, dass es noch zahl­rei­che Auf­füh­run­gen geben wird, damit alle Schü­ler in den Genuss die­ses Spa­ßes kommen.

Bas­ti­an Witte