Vortrag Ulrike Herrmann

image
„Vom Anfang und Ende des Kapitalismus“ – Denkanstöße zu Wirtschaft und Armut von der Journalistin und Buchautorin Ulrike Herrmann

Frau Kuman­off, die die Schu­le-ohne-Ras­sis­mus-Tage am Hein­rich-Hertz-Gym­na­si­um nun schon zum vier­ten Mal orga­ni­sier­te, lud zu unse­rer Abschluss­ver­an­stal­tung des SOR-Tags unter dem Mot­to „ARM_REICH“ die renom­mier­te Wirt­schafts­jour­na­lis­tin und Buch­au­to­rin Ulri­ke Herr­mann zu einem Vor­trag zum The­ma „Vom Anfang und Ende des Kapi­ta­lis­mus“ ein.

Nie­mand kann heu­te bestrei­ten, dass der Gra­ben zwi­schen Arm und Reich in der ers­ten Deka­de des 21. Jahr­hun­derts grö­ßer gewor­den ist und die­ser Pro­zess in der gegen­wär­ti­gen zwei­ten Deka­de anhält. Deut­lich wur­de uns die­ser Umstand in Euro­pa, als die Euro-Kri­se um Grie­chen­land sich in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren dra­ma­tisch zuge­spitzt hat und uns, ver­mit­telt durch die Medi­en, gegen­wär­tig wurde.

Armut ist kein The­ma, das sich nur fern­ab in den Län­dern zum Bei­spiel des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents ereig­net, son­dern auch hier in Euro­pa prä­sent ist. Es erschien uns den­noch abs­trakt und weit ent­fernt, bis sich schließ­lich das Elend und die Armut der Welt auf den Weg nach Deutsch­land zu machen schien und uns mit der aktu­el­len Flücht­lings­kri­se auch hier in Mit­tel­eu­ro­pa erreicht hat.

Aber erreich­te uns das The­ma erst jetzt?

Ein Blick auf die Lohn­ent­wick­lung einer­seits und die wach­sen­den Ein­künf­te von Spit­zen­ver­die­nern ande­rer­seits zeigt, dass der Unter­schied zwi­schen den gut Ver­die­nen­den und den unte­ren Ein­kom­mens­grup­pen gewach­sen ist. Die Süd­deut­sche Zei­tung vom 26. Janu­ar 2016 schreibt anläss­lich des 5. Armuts- und Reich­tums­be­richts der Bun­des­re­gie­rung, dass die tie­fe Kluft zwi­schen Arm und Reich wächst. In Deutsch­land gehö­ren zehn Pro­zent der Bevöl­ke­rung mehr als die Hälf­te des Ver­mö­gens. Ande­rer­seits wur­de die ver­mö­gens­schwä­che­re Hälf­te der Bevöl­ke­rung, also 50 Pro­zent, noch ärmer. Auf sie ent­fiel 2013 nur noch ein Pro­zent des Ver­mö­gens in Deutschland.

Armut hat mit sozia­ler und poli­ti­scher Aus­gren­zung zu tun und von daher liegt es nahe, das The­ma an unse­ren SOR-Tagen zu dis­ku­tie­ren. Wir haben uns sehr gefreut, dass Frau Ulri­ke Herr­mann den Weg zu uns an die H2O gefun­den hat, um über die Ursa­chen von Armut zu reden. Frau Herr­mann ist gelern­te Bank­kauf­frau und hat Wirt­schafts­ge­schich­te und Phi­lo­so­phie stu­diert. Seit dem Jahr 2000 ist sie Wirt­schafts­kor­re­spon­den­tin der taz und ist als Fach­frau u.a. im Pres­se­klub zu sehen gewe­sen. Ihr neu­es­tes Buch „Der Sieg des Kapi­tals: Wie der Reich­tum in die Welt kam“ beschäf­tigt sich unter ande­rem mit der Fra­ge der Reichtumsverteilung.

In ihrem inter­es­san­ten Vor­trag über den Kapi­ta­lis­mus griff die ver­sier­te Wirt­schafts­jour­na­lis­tin die Fra­ge auf, war­um Geld nicht reich macht. Die zum Ein­stieg in die The­ma­tik durch ein Ein­gangs­re­fe­rat auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge, war­um der Kapi­ta­lis­mus Plan­wirt­schaft sei, nur eben auf pri­va­ter Ebe­ne, wur­de von Ulri­ke Herr­mann auf­ge­grif­fen und anhand his­to­ri­scher Rück­grif­fe damit erklärt, dass weni­ge Kon­zer­ne die Welt­wirt­schaft beherrsch­ten und die freie Markt­wirt­schaft nur eine uner­füll­te Ideo­lo­gie sei, von der die glo­ba­li­sier­te Wirt­schaft weit ent­fernt ist.

Nach dem Vor­trag dis­ku­tier­ten die Schüler:innen der 11. Jahr­gangs­stu­fe kon­tro­vers und enga­giert mit der Refe­ren­tin. Hier­bei zeig­te sich ein­mal mehr das gro­ße Inter­es­se der Ler­nen­den an dem The­ma. Es wur­den sehr infor­miert und kon­tro­vers die The­sen des Vor­trags dis­ku­tiert. Frau Herr­manns Aus­füh­run­gen fan­den so gro­ßes und kri­ti­sches Inter­es­se, dass sich die Refe­ren­tin sogar ver­an­lasst und auf­ge­for­dert sah, ihren Vor­trag zu erwei­tern und künf­ti­ge Per­spek­ti­ven des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems zu dis­ku­tie­ren. Ihre The­se vom bal­di­gen Unter­gang des Kapi­ta­lis­mus, begrün­det unter ande­rem mit den öko­lo­gi­schen Gren­zen unse­res Pla­ne­ten, blie­ben nicht unwidersprochen.

Alles in allem eine inhalt­lich dich­te und anspruchs­vol­le zwei­stün­di­ge Ver­an­stal­tung, die allen Anwe­sen­den Denk­an­stö­ße mit auf den Weg gege­ben hat.

Uwe Pri­gann, Fachlehrer